Das vergangene Wochenende war ein signifikantes Ende und gleichzeitig hoffnungsvoller Anfang für die kirchlich-ökumenische und interreligiöse Zusammenarbeit zur Klimagerechtigkeit. Zum Auftakt der UN-Weltklimakonferenz in Paris kamen rund 500 Menschen aller Religionen zusammen, um eine Petition mit fast 2‘000‘000 Unterschriften zu überreichen, die eine drastische Senkung der CO2 Emissionen und Hilfe für die vom Klimawandel betroffenen Ärmsten fordert. Die Petition wurde von hohen Religionsvertretern an Christiana Figueres, Sekretärin des UN-Rahmenabkommens über Klimaänderung, persönlich übergeben. Neben Religionsvertretern des Islam, Judentum, Hinduismus, Buddhismus und Sikhismus waren auch EKD-Ratsvorsitzender Bischof Heinrich Bedford-Strohm und Präses Annette Kurschus angereist.
Die Petitionsübergabe war der Zielpunkt vieler verschiedener Pilgerwege, die von religiösen Gemeinschaften initiiert wurde, um für mehr Klimagerechtigkeit zu mobilisieren und somit spirituelle Tradition mit politischem Engagement zu verbinden. Insgesamt wurden unter dem Schirm der „Pilgerwege nach Paris“ 2‘300 Veranstaltungen organisiert in 175 Ländern und 785‘000 Menschen sind für kurze oder längere Strecken oder sogar den ganzen Weg bis nach Paris mitgepilgert. Von New York bis nach Fiji wurden weltweit insgesamt 280‘000km gepilgert, das entspricht 7 Weltumrundungen. Auch in Deutschland hatten evangelische und katholische Kirche, Entwicklungsdienste und Naturschutzverbände unter dem Motto „Geht doch!“ zum Mitwandern auf dem ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit eingeladen. Etwa 5‘000 Menschen sind seit September von Flensburg nach Paris fast 1‘500km mitgelaufen – entweder für einen Tag, mehrere Tage oder Wochen bis hin zur ganzen Strecke über drei Monate.
Die Übergabe war von Emotionen und Menschlichkeit geprägt. Sichtlich gerührt von dem Engagement so vieler Glaubensgemeinschaften nahm Christiana Figueres unter Tränen die Petition entgegen und tanzte mit Erzbischof Thabo Makgoba aus Südafrika anlässlich der Freude über das, was erreicht wurde.
“Die Kirche ist ein guter Weg, um Menschen zu erreichen“, sagt Schwester Jayanti von der hinduistischen Brahma Kumaris Bewegung aus Indien. „Der Glaube kann das menschliche Herz berühren und uns daran erinnern, dass wir eine menschliche Familie sind. Wenn ein Teil der Welt sagt, das habe mit mir nichts zu tun und der andere Teil leidet, können wir nicht so weitermachen, ist es Zeit diese Ungerechtigkeit zu beenden. Wenn die Herzen der Menschen berührt und bewegt werden, dann können wir wirklich etwas verändern. Spiritualität ist der Weg, um das Gute im Menschen hervorzuholen.“
Bischof Bedford-Strohm sieht eine wichtige Rolle der Kirche in der Klimadebatte: „Wir bekennen Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erden. Das verändert unser Verhältnis zur aussermenschlichen Natur. Das gibt uns Verantwortung, der wir gerecht werden müssen.“ Er sieht aber auch eine Verantwortung für die Zeit nach Paris: „Hier in Paris werden die Rahmenbedingungen geschaffen, danach muss eine grosse Transformation unserer Wirtschaft und unseres Lebensstils folgen, da sind wir als Kirchen auch selbst gefragt mit gutem Beispiel voranzugehen. Viele von uns versuchen das schon, auch Kirchen haben sich selbst Ziele gesetzt und versuchen in ihren eigenen Organisationen diese ökologischen Aspekte miteinzubeziehen. Aber die Hausaufgabe ist nicht erledigt.“ Die politischen Verhandlungen werden hier Entscheidungen hervorbringen, die das eigene Leben betreffen werden. Dabei muss die Kirche mit einer Vision voranschreiten. „Die Vision heisst, dass wir unsere Wirtschaft so umstellen, das ein gutes Leben vereinbar ist mit der Bewahrung der Natur. Es lohnt sich, sich zu engagieren. Also, engagiert euch!“, so Bedford-Strohm.
Die Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit der Sache wird deutlich in der persönlichen Geschichte einer „Klimazeugin“. Die Singer-Songwriterin Nityalila Saulo von den Philippinen ist selbst von Rom bis nach Paris zwei Monate mitgepilgert. „Der Pilgerweg ist schwierig gewesen, aber er ist nicht zu vergleichen mit dem, was meine Landsleute jeden Tag in ihrem Leben erfahren. Die Realität ist, das sie durch den Klimawandel ihre Lebensgrundlage verlieren. Für einige bedeutet der Klimawandel einfach nur, dass der Winter sich wärmer anfühlt und man sich die Jacke auszieht, aber in meinem Land in den Philippinen ist der Klimawandel so real, das Menschen ihr Leben verlieren. Im Jahr 2009 wurde meine Familie Opfer des Taifun Parma. Unser Geschäft, das mein Vater 35 Jahre seines Lebens mühevoll aufgebaut hat, war innerhalb von zwei Stunden ausgelöscht. Wir wurden obdachlos, und wir waren hoffnungslos. Wir waren zu traumatisiert, und konnten uns kaum der Realität stellen. Diese Pilgerreise ist für mich wirklich sehr persönlich.“
Kirchliche und religiöse Organisationen werden die ganzen zwei Wochen der politischen Klimaverhandlungen anwesend sein und als Beobachter und Lobbyisten sicherstellen, dass Moral, Ethik und die Stimmen der Ärmsten und Schwächsten an vorderster Stelle von politischen Entscheidungen stehen. Am kommenden Wochenende wird auch eine Delegation der badischen Landeskirche mit Landesbischof Cornelius-Bundschuh anreisen.
Die Pariser UN-Verhandlungen haben bisher hoffungsvoll begonnen mit den Reden von 150 Staatsführern. Die moralische Verpflichtung in den Klimafragen wurde deutlich genannt und an verschiedenen Stellen wurden dabei auch Papst Franziskus und Pastor Martin Luther King zitiert.
Von Mélisande Schifter