Ist der Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens eine neue religionswissenschaftliche Bewegung? Sind Frieden und Gerechtigkeit allein dem Pilgerweg des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) vorbehalten? Mit welchen Bildern arbeiten wir, wenn wir vom Pilgern sprechen?
Diese und weitere Fragen wurden am 30. Juni 2015 an der Evangelischen Stadtakademie in Erlangen in einem von Professorin Johanna Haberer moderierten Abend diskutiert.
Auf Einladung der Evangelischen Stadtakademie Erlangen, des Lehrstuhls für Orientalische Philologie und Islamwissenschaft und der Professur für Christliche Publizistik an derFriedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU) waren ca. 30 Gäste und namhafte Vertreter*innen aus verschiedenen Disziplinen der FAU zusammengekommen, um über das Pilgern als interreligiöses Phänomen zu diskutieren.
Im Eröffnungsreferat wurde das Konzept des „Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens“ des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) von Judith Königsdörfer, EKD-Vertreterin im Zentralausschuss des ÖRK, vorgestellt und anhand des „Klimapilgerwegs nach Paris“[1] plastisch gemacht.
In prägnanten Impulsen wurde sich dem Begriff des Pilgerns genähert:
Prof. Dr. Klaus Herbers vom Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften, beleuchtete das mittelalterliche Bild das Pilgerns; Prof. Dr. Andreas Nehring, Religions- und Missionswissenschaftler, stellte die berechtigte Frage, wie viele Religionen eigentlich das Gleiche tun.
Prof. Dr. Georges Tamer, ebenfalls Mitglied im Zentralausschuss des ÖRK und Inhaber des Lehrstuhls für Orientalische Philologie und Islamwissenschaft, setzte den Impuls, die Pilgerschaft als Miniatur des Lebens zu betrachten, während Prof. Dr. Hacik Rafi Gazervom FachGeschichte und Theologie des Christlichen Orients sich auf die Erneuerung einer gestörten Gottesbeziehung mittels des Pilgerns konzentrierte.
Prof. Dr. Maha el-Kaisy Friemuth vom Lehrstuhl fürIslamisch-Religiöse Studien betonte bei der Pilgerschaft auf islamisch die Aspekte Frieden und Gerechtigkeit und Prof. Dr. Heiner Bielefeld vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik ging auf die tragende Rolle von Leuten an der Basis bzw. die Eigeninitiative von Personen in herausragenden Positionen ein.
Fern vom allgemeinen Pilger-Hype ging es vor allen Dingen um die spirituelle Dimension und um die Frage, inwieweit man sich mit der Pilgerschaft zwar eine Identität und Zugehörigkeit verschafft – genau so aber auch abgrenzend wird. Mit welchem (westlichen) Begriff agiert der ÖRK und haben andere Religionen, die genau so zum Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens eingeladen sind, nicht andere Bezeichnungen und Bilder? Und es stellte sich die Frage, ob ein Aufbruch zur Weltklimakonferenz nach Paris tatsächlich ein Pilgerweg ist.
Die hochkarätigen Referateund die intensive Diskussion im Anschluss setzten den Anreiz für Folgeveranstaltungen, auch über die Grenzen Bayerns hinaus. Es bleibt die Frage, inwieweit nicht jeder einzelne Mensch einer geistlichen Erneuerung bedarf – und diese gezielt und auf vielfältige Weise umsetzen kann.
[1]Für mehr Informationen siehe www.klimapilgern.de