How to become a just peace church
»Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung der Kirche aus dem Geist des Gerechten Friedens«, so der deutsche Titel, unter dem die Evangelische Kirche in Deutschland, die Evangelische Friedensarbeit, die Evangelische Akademie Villigst und die Evangelische Akademie zu Berlin einluden, vom 28. September bis 1. Oktober 2016 im Dietrich-Bonhoeffer-Haus zusammenzukommen.
Insgesamt nahmen 80 Menschen teil, davon ein Viertel aus anderen Regionen in Europa, Afrika, Nordamerika und Asien. Es waren verschiedenste Zusammenhänge vertreten mit ökumenischen Friedensnetzwerken, landeskirchlichen Friedensstellen, Missionarisch-ökumenischen Diensten und Beauftragten des Gemeideaufbaus, Mennoniten, Orthodoxen, (sogar) ev. Militärseelsorge, Waldenser, Akademiker*innen und christl. NGOs für Versöhnungs- und Friedensarbeit. Für einige war es der erste Kontakt mit Friedenstheologie oder der weltweiten Ökumenebewegung, einige Überzeugt von Gewaltfreiheit, andere nicht. Die methodische Ausgestaltung und genügend Zeit für Gespräche halfen sehr, dass diese Gruppe zusammenwuchs.
Die Tagung war ein kleiner Schritt im Sinne des Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens, den die Mitglieder des Ökumenischen Rates der Kirchen gehen wollen (Vollversammlung 2013 in Busan). Der Gerechte Friede als Konzept ist weit mehr als nur die Abwesenheit von Krieg, sondern erkennt an, dass Frieden und Gerechtigkeit nur gemeinsam umgesetzt werden können. Im klassischen Ökumenedreiklang lässt sich noch die Bewahrung der Schöpfung finden, die natürlich auch Bedingung für Frieden und Gerechtigkeit ist. Die Anliegen müssen also gemeinsam gedacht und umgesetzt werden.
Die Aufstellung der Tagung als Zusammenkommen verschiedener spiritueller Prägungen fand durch die geistlichen Elemente in Andachten, Gebeten und Bibelstudien eine weitere Bedeutung für das Thema: Kirche kann nicht als NGO die bessere Gesellschaftspolitik machen, um schließlich im Einklang mit den sozialen Werten des Evangeliums und anderen Stellen der Bibel leben. Kirche hat den Vorteil, Kirche sein zu dürfen, was andere Möglichkeiten bietet, Einfluss auszuüben und Menschen zusammenzubringen. Und vor allem aus der Kraft des Glauben heraus die Arbeit für eine bessere Welt zu leisten.
Just Peace Church is not just a part of the church
Der Ort war historisch aufgeladen, da in diesem Saal 1989 die ersten Sitzungen des Zentralen Runden Tischs in der DDR stattfanden. Ein schönes Beispiel, wie Kirche ihre Rolle finden kann, getragen von den Menschen. Doch wie sieht es heute aus? Renke Brahms als EKD-Friedensbeauftragter stellte knapp die theologische Begründung zu einer Kirche des Friedens dar. Viele der brennenden Konflikte und globale Missständen kamen zur Sprache. Welche Rolle kann christliche Friedensethik angesichts dieser Gesamtlage überhaupt spielen? Die positiven Beispiele, die es auch jetzt schon gibt, dort, wo die langwierigen Anstrengungen Früchte tragen und Versöhnung stattfindet, wurden genannt im Beitrag von Dr. Agnes Abuom, der Vorsitzenden des ÖRK-Zentralausschusses.
Die persönlichen Zeugnisse aus jeweils verschiedenen Hintergründen waren sehr berührend und ermutigend, sei es von Konflikten in Südosteuropa, der südafrikanischen Geschichte und Gegenwart oder in Sri Lanka. Unter Kitchen Table Theology wurde der Ansatz vorgestellt, Empowerment zur eigenständigen theologischen Arbeit zu geben, die dem Alltäglichen verbunden ist und somit praktisch wird.
Immer wieder kam die Lage der (Landes-)Kirchen in Deutschland zur Sprache. Was ist los mit unseren schlecht besuchten Gottesdiensten, wie ist die Stimmung in unseren Kirchen, wie sollte Kirche sein, welche Formen brauchen wir und was für Chancen ergeben sich nun? Tobias Faix sprach über diese »Transformation« und brachte das Bild einer Brücke ein, deren Fluss sich nach einem starken Sturm einen anderen Weg gesucht hatte.
Eigentlich wissen wir an vielen Stellen schon, was falsch läuft und sich dringend ändern sollte, doch tun es auf übergeordneter Ebene genauso wenig wie im Privaten. Seien es die Waffenexporte, unfaire Handesabkommen oder das eigene Konsumverhalten und Abfinden mit Ungerechtigkeit. Um nicht in diesem Zustand verharren zu müssen, gab es ein Erkundungsprogramm in der Stadt, in dem Projekte besucht worden sind, die Kirche auf ihre eigene Art und Weise sind. Dazu gehörten z.B. die RefoMoabit, die als leerstehendes Gebäude einen Neuanfang wagen konnte, Ort für Begegnung und Projekte im Kiez zu sein. Auch das ambitionierte House of One, einem geplanten Begegnungsraum dreier Religionen, wurde „besucht“ und viele mehr (doch nicht besucht, aber zu nennen ist auch das Sharehouse Refugio).
Am Ende sollte kein Papier stehen, sondern es wurde versucht, die gewonnenen Eindrücke und Motivationen in konkrete Umsetzungen zu leiten. Denn der Weg zu einer Just Peace Church muss von „oben“ und „unten“ gegangen werden, indem Kirchenorganisationen ihre Stimme erheben und Position nutzen, aber auch klassische Gemeindearbeit durch unkonventionelle Formen ergänzt wird. Dies war auch der Hinweis von Michael Neuroth aus der United Church of Christ in den USA, die sich schon in den 80ern mit dem Konzept des Gerechten Friedens beschäftigt hat, aber vor allem jetzt merkt, dass die grassroots-Ebene der Gemeinden zu verschieden Themen aktiver wird. Es wäre wünschenswert, wenn wir in unseren Kirchen Projekte unterstützen und neugründen, die als Lernorte Menschen erreichen und dabei lokale soziale Belange verknüpfen mit Ökologie, Spiritualität und dem Blick auf das globale, solidarische, friedliche Zusammenleben. Kirche kann sich was trauen.