Im Flugzeug fragte mich der koreanische Sitznachbar, nachdem ich ihm erzählte, dass ich Pfarrer bin, wie einflussreich die Kirchen in Deutschland seien. Als ich ihm erzählte, dass die Kirchen in Deutschnalnd nicht mehr die gleiche gesellschaftliche Anerkennung genießen, wie es früher einmal war, wunderte er sich, schließlich sei das doch das Land der Reformation. In Südkorea sei das anders. Der Einfluss der Kirche in der Gesellschaft wachse. Auf unterschiedliche Weise konnten wir das in Busan erfahren. Zunächst wurden wir bei unserer Ankunft von einer großen Demonstration empfangen, auf der dem ÖRK vorgeworfen wurde, die Kirche zu zerstören. Die in Asien als „Evangelicals“ bekannten Kirchen meinen, die Mitglieder der sogenannten „ecumenical churches“, die der ökumenischen Bewegung nahe stehen, würden in die Hölle gehen. Die Vollversammlung selbst wird teilweise von einem großen Polizeiaufgebot geschützt, das in diesem Ausmaß aus meiner Sicht nicht nötig wäre und mehr an ein Fußballspiel erinnert als an einen Kirchentag. Auch wenn es ein ungewohntes Gefühl ist, zu erleben, dass gegen mich demonstriert wird, ist es doch ein gutes Zeichen: Kirche und Ökumene spielen in der südkoreanischen Gesellschaft eine wichtige Rolle und werden auch von den säkularen Medien wahrgenommen.
Auf eine positive Weise war die gesellschaftliche Relevanz der Kirchen in Süd-Korea gestern, am ersten Tag der Vollversammlung, zu spüren. In einer atemberaubenden und sehr bewegenden Tanz- und Musikvorstellung wurde die Geschichte Koreas eng verknüpft mit der Geschichte des Christentums in Korea. In besondere Weise zeigte sich das in den 1970er und 1980er Jahren: Einige der „ökumenischen“ Kirchen waren maßgeblich am politischen Widerstand gegen die Diktatur in Südkorea beteiligt. Bis heute sind diese Kirchen sozial und gesellschaftlich besonders stark engagiert. Ich bin gespannt wie sich das im Verlauf der weiteren Versammlung zeigen wird.