Meet auf dem Pilgerweg… EKD-Auswertungstagung zur ÖRK Vollversammlung in Busan

Nach Busan: Auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens

Von Christina Biere

Fast hundert Vertreterinnen aus den deutschen Mitgliedskirchen im ÖRK trafen sich vom 16.-18. Januar in der Evangelischen Akademie Loccum, um ihre Erfahrungen bei der 10. Vollversammlung des ÖRK zu teilen und ein gemeinsames Weitergehen auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens zu besprechen.

Pilgerwege in Europa waren und sind grenzüberschreitend. Der Pilgerweg, der im Kloster Loccum endet, beginnt in Volkenroda, einem Ort in der ehemaligen DDR – er überquert die ehemalige deutsch-deutsche Grenze. Vielleicht ist es die Inspiration des Ortes, vielleicht die gemeinsamen Erfahrungen in Busan, vielleicht die Wahrnehmung der Zeichen der Zeit, die den Konferenzteilnehmern deutlich machen: Wenn wir uns auf den Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens begeben, können wir das nur in europäischer Weite tun.

Das Gespräch beginnt mit einem Rückblick: Welche Bedeutung hatte die Vollversammlung für die koreanischen Schwesterkirchen? „Alle diejenigen Koreaner, die als freiwillige Helferinnen, als Studierende, als Tagesgäste und als Mitwirkende im Besuchsprogramm dabei waren, mehr als 10 000 Menschen, haben nun die ökumenische Atmosphäre der Vollversammlung ‚geatmet’. Das wird ihr christliches Leben, ihre Wertschätzung anderer Konfessionen und die Wahrnehmung der ökumenischen Bewegung nachhaltig prägen“, sagt Dong-Sung Kim, Mitarbeiter beim ÖRK für die Region Asien. Bewegt sind viele deutsche Teilnehmer der Vollversammlung vor allem von Berichten koreanischer Kriegsdienstverweigerer, die für ihr christliches Friedensbekenntnis ins Gefängnis gehen. „Da haben wir mit unseren Erfahrungen in der Durchsetzung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung eine Verantwortung im ökumenischen Gespräch“, sagt Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD.

„Immer wieder wurden wir in Korea auch nach der Wiedervereinigung in Deutschland gefragt und was Christen dafür tun können“,  berichtet eine Teilnehmerin. Konrad Raiser, ehemaliger Generalsekretär des ÖRK, lenkt den Blick auf Europa: „Es gab in Deutschland keinen geplanten und von den Kirchen vorbereiteten Prozess zur Wiedervereinigung. Vielmehr könnten wir in der ökumenischen Gemeinschaft von dem Einigungsprozess in Europa lernen und den Demokratisierungsbewegungen, die dorthin geführt haben.“ Dong-Sung Kim bekräftigt, auch die Frage nach Einheit und gerechter politischer Selbstbestimmung in Korea sei nicht eine nationale, sondern eine regionale Frage; ein mögliches Thema für einen zukünftigen Dialog zwischen Kirchen in Europa und Ost-Asien.

„Wenn wir uns die politischen Realitäten unserer Zeit anschauen, sehen wir, dass die internationalen ökumenischen Kirchengemeinschaften, wie die Konferenz Europäischer Kirchen und der ÖRK heute wichtiger sind denn je“, sagt Petra Bosse-Huber, Auslandsbischöfin der EKD und Mitglied im Zentral- und Exekutivausschuss des ÖRK. „Ich möchte mich dafür einsetzen, diese Instrumente der ökumenischen Zusammenarbeit zu stärken.“ Dabei spielt auch für Bosse-Huber die europäische Zusammenarbeit eine besondere Rolle: „Wir sollten noch intensiver versuchen, die für uns als Kirchen in Europa wichtigen Themen gemeinsam in die europäische Öffentlichkeit zu bringen.“ Die Infragestellung ungerechter ökonomischer Strukturen, des rechtsgerichteten Populismus und der „Festung Europa“ mit dem Unrecht, das die EU-Außengrenzen für Flüchtlinge bedeuten, sind einige Beispiele die Bosse-Huber nennt.

Immer wieder wird von den Tagungsteilnehmern in Loccum nachgefragt, was der Pilgerweg methodisch für die ökumenische Arbeit bedeutet. „Mit dem Pilgerweg kommt das Verständnis von Ökumene als Prozess zum Tragen“, sagt Martin Robra, Mitarbeiter beim ÖRK. „Es geht darum, die ökumenische Suche nach Einheit als Summe vieler kleiner Schritte auf einem Weg zu beschreiben“, sagt Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. „Der ökumenische Pilgerweg braucht die Repräsentanz der marginalisierten Menschen in unserer Gesellschaft. Von ihnen müssen wir uns den Weg weisen lassen“, fordert Fernando Enns, Professor für Friedenstheologie in Hamburg und Amsterdam. „Gerechtigkeit und Frieden sind nicht Ziel, sondern Qualität des Pilgerweges“, betont Konrad Raiser. „Pilgerinnen sind dazu bereit, sich selbst in Frage zu stellen und sich verändern zu lassen. Das sollte auch für die Kirchen gelten, die sich auf den Pilgerweg begeben“, sagt eine junge Teilnehmerin. Auf Pilgerwegen gibt es Kraftquellen und Schmerzpunkte. „Wir sollten geistliche Orte in unseren Traditionen aufsuchen, die uns ‚lebendiges Wasser’ spenden können, und dann gestärkt zu den Schmerzpunkten unserer Gesellschaft gehen und an den Erfahrungen dort lernen“, so Heike Bosien, Organisatorin der Tagung. Diese Beschreibung eines Empathie-Lernens als Element einer Spiritualität des gerechten Friedens erntet viel Beifall.

In diesem Sinne stellt das ökumenische Netzwerk MEET, More Ecumenical Empowerment Together, Pläne für einen Pilgerweg im Herbst 2014 vor: „Wenn man erkunden will, was ökumenisch Pilgern bedeutet, muss man es konkret tun, mit den Füßen“, sagt die Mitinitiatorin Charlotte Eisenberg. Der Pilgerweg soll junge Erwachsene aus verschiedenen Konfessionen an „Stationen“ zum Thema Flucht und Migration führen: „Wir möchten Menschen begegnen, die uns von ihren Erfahrungen als Migrantinnen in Deutschland erzählen und wenn möglich, ein Stück des Weges mit uns gehen.“ Wenn man selber auf dem Weg ist, kann man vielleicht die schwierigen Wege der Migrantinnen empathischer verstehen.

Zwei Pilgerwege zur Vollversammlung nach Busan scheinen in besonderem Maße in der Rückschau Schule zu machen:
Einer davon ist die ökumenische Lerngemeinschaft im Global Ecumenical Theological Institute (GETI): „Wenn ich mir die GETI Teilnehmerinnen anschaue weiß ich: ökumenische Bildung kann euphorisieren!“, sagt Bischöfin Bosse-Huber. „Ökumenische Bildung sollte ganz oben auf unserer Agenda stehen und in Europa haben wir den nötigen interkulturellen Kontext, um diese Erfahrung auf den unterschiedlichen Ebenen von Kinder- und Jugendarbeit, von theologischer Laien- und Mitarbeiterfortbildung zu bringen.“ Eine Initiative der Tagung könnte YETIE sein, ein Youth Ecumenical Theological Institute in Europe. „Vielleicht kann so ein Seminar unmittelbar vor dem Kirchentag 2017 zum Reformationsjubiläum stattfinden und thematisieren, was Reformation in ökumenischer Perspektive bedeutet“, erläutert Mélisande Schifter, die auch an der Organisation von GETI beteiligt war.
Zum anderen sind die Tagungsteilnehmer begeistert von der Premiere der Reportage von Johannes Meier über den Peace Train. „Der Peace Train war drei Wochen von Berlin nach Busan unterwegs. Es war ein Pilgerweg, der mich verändert hat“, sagt Daniel Jung, deutscher Pfarrer koreanischer Abstammung. „Ohne die Begegnungen mit den Mitreisenden, ohne ihre Hoffnungen auf eine Durchfahrt durch Nordkorea und ihre Schmerzen, als dies nicht möglich war, hätte ich nie verstanden, was die Teilung Koreas heute noch für Menschen bedeutet.“ Damit Pilgerwege auch heilsam wirken können, muss es Raum geben, sich anderen mit der eigenen Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden zuzumuten und andere darin anzunehmen. Viele Konferenzteilnehmer hoffen, dass der Peace Train zum Vorbild für zukünftige Pilgerwege der Gerechtigkeit und des Friedens in Europa sein wird, die dasMiteinander der Christen und Kirchen stärken und verändern werden.

Erschienen: http://www.oikoumene.org/de/press-centre/news/nach-busan-auf-dem-pilgerweg-der-gerechtigkeit-und-des-friedens, 23.1.2014

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programmekdauswertungbusanjan2014.pdf