"Der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land". Exerzitien auf der Strasse, 17.-19.April 2009 in Berlin

„… der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land“
Exerzitien auf der Strasse.

Vom 17.-19. April fand in St. Michael in Berlin das erste Meet Retreat statt. Schon seit der Gründung unseres Netzwerks Junge Ökumene sind einige begeistert von der Idee gemeinsam Einkehr zu halten. Die Motivation dafür kommt aus der Erfahrung, dass wir berührt sind von der Ungerechtigkeit in der Welt, dass wir uns in unterschiedlichen Kontexten engagieren und viel arbeiten. Dabei drohen unsere geistlichen Quellen verschüttet zu werden. Da ist die Sehnsucht nach einem Raum, wo unser Leiden an der Welt da sein darf, uns aber nicht überwältigt, da ist aber auch unsere Hoffnung für die Welt und die Sehnsucht nach Gemeinschaft mit anderen, denen es ähnlich ergeht.

Kampf und Kontemplation, so hat das Frere Roger einmal ausgedrückt. (Wie) Können wir richtig leben im Falschen? Auf der Suche nach einer Work-Life Balance. So oder so ähnlich sind unsere Ausgangspunkte.

Hier drei verschiedene Impressionen der Tage:

>>Es ist etwas, das ich jeden Tag tue. Durch die Gegend laufen, mich umschauen, mich mit Menschen unterhalten.
Und gleichzeitig ist es etwas, das ich noch nie gemacht habe. Vier, fünf Stunden durch Kreuzberg laufen, ohne Plan, ohne konkretes Ziel – immer der Nase nach.

Darf ich mal mit Euch mitkommen?“ Unschlüssig stand ich am Kottbusser Tor und versuchte mich zu einer Gruppe junger Rumänen zu gesellen. Sie saßen dort und füllten Spülmittel in kleine Wasserflaschen. Daneben lagen Schwämme und Rakel, mit denen man Autosscheiben sauber macht. Sie musterten mich von oben bis unten und zuckten mit den Achseln.

Ich lief hinter ihnen her. Die Skalitzer Straße hoch, dann rechts in die Wiener. Schließlich kam ich mit zwei jungen Männern ins Gespräch. Ob ich von der Polizei sei oder warum ich mich für sie interessiere? Ich bin auf der Suche nach mir selbst. Oder nach Gott, dachte ich. Weil Du und ich Menschen sind.

Was gerade geschah? Ich weiß es nicht. Es geschah einfach. Wir trennten uns am Görlitzer Park und ich lief weiter.

Ich hatte mir 60ct mitgenommen und einen Bärenhunger. Fladenbrot, dachte ich. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich einen Laden „Orientalisches Fladenbrot aus dem Lehmofen“. Ich ging in den Laden und aß ein dünnes, frischgebackenes Fladenbrot. Im Laden war es schön warm, und ich schaute einem jungen Mann bei der Arbeit zu. Er formte kleine Teigkugeln, aus denen das Brot gebacken wurde. 200 Stück passten auf ein Brett. Im Handumdrehen war es voll. Schon kamen aus dem Hintergrund zwei weitere Männer, die die Teigkugeln in Fladen verwandelten und in den Öfen backten. Wahnsinn, wie schnell das ging. Neben mir stand ein vierter, der das Geschäft machte und nebenbei die ausgekühlten Fladen in Plastiktüten verpackte.

Ich stand einfach da und schaute.

Ob ich ihm mal die Kiste dort reichen könne? Danke.

Dann schob er mir ein paar Plastiktüten zu – hier! Immer vier in eine Tüte. Da stand ich da, und packte die frischen Fladenbrote ein. Am Kottbusser Damm. Sonst arbeite ich in der Bibliothek.. . Ich war so beglückt, dass ich nicht merkte, wie die Zeit verging. Im Nu waren zwei Stunden um.

Einer der Bäckerfreunde nahm mich mit, um Schawarma zu holen. Als ich gerade aus dem Auto steigen wollte, lief direkt neben dem Auto die Gruppe junger Rumänen vorbei, denen ich am Morgen begegnet war. Weit entfernt von dem Ort, wo wir uns zuvor getrennt hatten. Ich freute mich so, dass ich ihnen wie wild zuwinkte und mich noch mehrmals nach ihnen umdrehte.

Viel anderes ist noch passiert.

Mit offenen Augen durch die Stadt gehen. Menschen grüßen, die man nicht kennt. Gemeinschaft erleben. Auch Fremdsein. Zeit haben. Gott begegnen und tiefe Freude spüren.<<

*

>>Das MEET-Retreat war im warsten Sinne des Wortes inspirierend! Bei den Exerzitien auf der Straße kann man sich vom Geist treiben lassen in die ungeahntesten Begegnungen mit Menschen – mit dem Anderen. Das ist die Grundvoraussetzung für ökumenisches Leben – das MEET Retreat hat darin zum Lernen angeregt.. Danke.<<

*

>>Oft braucht es für Treffen eine Menge Vorbereitung, Programmplanung und Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten. Das war diesmal anders. Wir waren zu acht und kamen aus Hamburg, Greifswald und aus Berlin. Mit den „Exerzitien auf der Strasse“ sind wir einfach losgegangen, in den Alltag einer Großstadt. Das war für manche ungewöhnlich, so einfach losgehen, ohne Planung, in eine Leerstelle hineinlaufen.

Intensiv dann am Abend das gemeinsame Gespräch über das Erlebte. Jede und Jeder erzählt seine Geschichte, ganz und gar unterschiedlich. Und doch: so nah, dass ich Anteil nehmen kann, dass ich es nachvollziehen kann, mitgehe, mitfiebere, mit-traurig bin oder mich mitfreue. Und obwohl wir alle so individuell sind, unterschiedliche Lasten und Freuden erleben und mit uns herumtragen. Es entsteht durch das gemeinsame Gespräch und die liebevolle Anleitung von Christian und Kathrin auch etwas gemeinsames, verbindendes, ein Schatz, schwer zu beschreiben, mehr ein Gefühl. Eine Erfahrung Aufgehoben-zu- sein. Eine Gotteserfahrung! ?<<

(Zusammengestellt von Lioba Diez)

erstesmeet-retreatberlinexerzitienaufderstrasse.pdf